Vor dem Gespräch haben die drei STK-Winzer noch den berühmten Ratscher Nussberg abspaziert. Jetzt sitzen sie oberhalb davon im Weingut Gross gemeinsam am Esstisch und ergehen sich in Details. Die Frage nach Details hat Georg Winkler-Hermaden, Wolfgang Maitz und Johannes Gross heute zusammengeführt.
Welche Details machen beim Weinmachen den berühmten Unterschied aus?
Winkler-Hermaden: Wenn wir das selber wüssten, hätten wir auf alle Zeit gewonnen. Aber das ist jedesmal eine Kette aus vielen kleinen Entscheidungen über das ganze Jahr hinweg.
Maitz: Das Thema ist so komplex, weil alle Umstände dauernd in Bewegung sind.
Gross: Das Klima ist stets anders und die Menschen sind ohnehin die größte Inkonstante dabei. Die einzige Konstante ist unser Boden. Deshalb konzentrieren wir uns so stark darauf.
Winkler-Hermaden: Aber selbst da gibt es eine Entwicklung. Wir haben nach der Umstellung auf biologischen Anbau gesehen, dass zwar das Mineralische gleich geblieben ist, während sich das Bodenleben sehr wohl verändert hat. Das hat auch das Wachstum der Reben stark beeinflusst.
Maitz: Für mich ist die Detailfrage eine Frage des Ausgangspunkts. Weil sie mit Erfahrungen und Umständen verbunden ist. Es kann für einen ein Detail sein, für den anderen ist es kosmisch groß. Wir hatten in der Steiermark vor 30, 40 Jahren eine Aufbausituation. Jetzt haben wir eine Idee davon, was unsere Region kann und wo wir hinwollen. Es verschieben sich die Dinge, mit denen man sich beschäftigt. Ich würde es so sagen: Wenn man nicht mehr läuft, sondern geht, dann sieht man auch die Details. Dann hat man die Möglichkeit, die Details zu verändern.
Wo lässt sich ansetzen?
Maitz: Der Georg hat es schon gesagt: bei der Wirtschaftsweise. Anstatt industrieller Produkte bringen wir wieder verstärkt natürliche Produkte in die Landwirtschaft ein. Da muss man in der Natur sehr auf die Details achten, was wie reagiert und funktioniert.
Winkler-Hermaden: Vor 30 Jahren hatten wir das Problem, dass die Trauben zu spät reif wurden. Also nahmen wir früher reifende Unterlagen. Jetzt ist es zum Teil so, dass sie zu früh reif werden. Wir sollten wieder umschwenken.
Maitz: Es spielt mit, wie wir die Weingärten mit Trauben belasten, im Sinne von Rebschnitt, und dass es keine Kunstdüngergaben mehr gibt. So hat man weniger Erträge und die Trauben werden früher reif.
Gross: Man weiß beim Wein oft nicht, welche Reaktion auf eine Aktion kommt. Ich mache jetzt seit elf Jahren Wein. Die ersten Jahrgänge sind im Keller mit dem Papa zusammen entstanden. Da gab es von meiner Seite das Drängen: „Nein, das ist falsch, warum machen wir es nicht so?“ Da ich eine sehr gute Ausbildung habe, wusste ich im Detail besser, welche Abläufe in der Gärung passieren. Nur sah ich dann in so einem Detail einen Schlüsselpunkt und übersah dabei das große Ganze. Heute weiß ich: Du brauchst Erfahrung, um dein Detailwissen umsetzen zu können.
Winkler-Hermaden: Das läuft bei uns ähnlich ab. Da werden Dinge in Frage gestellt, wo ich denke: Wieso wird das angezweifelt? Da bin ich oft ganz perplex. Mit meinem Sohn Christof kann ich gut diskutieren. Der hat einen wissenschaftlichen Background, kennt sich in der Mikrobiologie aus und kann alles chemisch erklären.
Gross: Gehen wir auf die Handlung an sich. 90 % meiner Entscheidungen treffe ich gar nicht, weil ich sie treffen will, sondern weil es so ist, wie es ist. Alleine die Unterschiede unserer Keller, wie sie baulich angeordnet sind, bringt uns in eine andere Ausgangssituation. Das liegt gar nicht in meiner Entscheidung, sondern ist vorgegeben.
Maitz: Irgendwann haben wir sie aber einmal getroffen. Oder bereits die Generation davor.
Gross: Das geht bis dahin, welche Tanks oder Fässer ich zur Verfügung habe. Man ist in einem Korridor unterwegs, der durch Natur, Betrieb und Familie vorausgesetzt ist. Die Details sind im Endeffekt die Handlungen, die wir aus dem heraus vollziehen. Nehmen wir Willi Sattler als Beispiel. Der entschied sich, Sauvignon Blanc im Stahltank auszubauen. Er hat für sich und sein Terroir empfunden, das ist so bei ihm und nicht anders. So hat er sich seinen Korridor aufgebaut. Innerhalb dessen dreht er an den Rädchen. Details gehen nur dann, wenn man sich auf etwas reduziert. Erst die Generation meines Vaters hat entschieden, dass Sauvignon Blanc die Hauptsorte in der Steiermark wird. Das kam nicht nur daher, dass sie konstant die besten Qualitäten erbracht hat, es hatte auch mit dem Wunsch zu tun, an einer Sache zu arbeiten. Nicht: „Ich will den besten Muskateller und auch den besten Sauvignon.“ Da kommt man nicht weiter. Diese Rebsorten haben komplett andere Bedürfnisse. Vielleicht haben wir dazu zu wenig Erfahrung oder diese in den letzten 100 Jahren verloren. Es kommt mir manchmal so vor, wenn ich alte Weinbücher lese. Darin steht über den Anbau und Weinausbau von einst vieles, das wir heute wieder praktizieren.
Maitz: Dazwischen hatte die Technik Einzug gehalten. Jetzt sind wir wieder am Rückschritt, weil wir freilegen wollen, was wir haben. Technischen Wein kann man auf der ganzen Welt machen. Deswegen geht es uns um Herkunftswein. Die Herkunft im Glas wieder spürbar zu machen. Das ist das oberste Gebot.
Wir sprachen vorhin über Fässer. Dazu gibt es vom Weingut Winkler-Hermaden ein besonders stimmiges Detail.
Winkler-Hermaden: Wir haben einen kleinen Forstbetrieb. Die Eichen aus dem Wald verwenden wir, um Fässer zu bauen. Am Anfang war es mehr als Gag gedacht, aber es stellte sich heraus, dass es gut harmoniert, weil Holz und Wein vom gleichen Terroir sind. Vielleicht gäbe es eine Möglichkeit, ein noch besseres Holz herzukriegen, um den Wein eventuell noch besser zu machen. Aber uns geht es darum, das Terroir und den Charakter zu betonen. Die Weine sollen das spiegeln.
Maitz: Das ist eine geniale Aussage! Es gäbe vielleicht etwas Perfekteres, aber ich verzichte darauf. Perfektion ist für viele Individualisten etwas ganz Schlimmes, weil sie keine Individualität zulässt. Deswegen sagt man oft: Der Wein darf ruhig etwas außer der Norm sein, wenn es der Persönlichkeit dient. Mir geht es oft so, wenn ich in einer Region zehn Weingüter besuche – was bleibt da? Es ist dann häufig so, dass ich sage, dieses Detail ist mir bei dem Betrieb besonders aufgefallen. Das ist es dann, was den Unterschied macht. Das Detail huldigt dem großen Ganzen und umgekehrt. Es gibt ja den Gedanken, wie könnte eine Region schmecken? So, dass der Wein auf der ganzen Welt als Herkunftswein wahrgenommen wird. Das ist in der Steiermark sehr schwierig. Weil es auf kleinem Raum sehr viele verschiedene Böden gibt ...
Winkler-Hermaden: ... und sehr viele Sorten.
Maitz: Richtig! Jetzt kann man sich fragen: Ist das ein Nachteil oder eine Stärke? Ich glaube, dass man bei den Sorten eine Einschränkung vornehmen muss – und über die verschiedenen Terroirs und Betriebe wird dann die Persönlichkeit im Wein spürbar. Die Details, wo wir ab und zu glauben, die sind gar nicht so wichtig ... beim jungen Wein vielleicht nicht, aber in fünf, zehn Jahren kommen sie viel stärker raus.
Gross: Damit setzt sich unser Weingut gerade verstärkt auseinander. Wir haben Platz geschaffen in unserem Archiv, wie wir es nennen, um Weine zurückzulegen und später anbieten zu können. Um zu zeigen, dass der Wein eine Entwicklung haben kann.
Winkler-Hermaden: Das kam in den letzten Jahren sehr stark als Thema. Zu sagen, unsere Weine haben reif mehr Potenzial als jung. Die einzige Möglichkeit, die Leute zu überzeugen, besteht darin, ihnen möglichst oft etwas Reifes zu kosten zu geben.
Maitz: Das ist ein Detail, das die STK abhebt von anderen Weingütern. Es gibt das Bestreben, reifen Wein zu präsentieren, der dazugewonnen hat. Das hat die großen Weine immer ausgezeichnet. Dass sie mit der Zeit zu etwas Besonderem werden. Ein junger Wein kann die Details nie so repräsentieren.
Wie entscheidend ist der Zeitfaktor beim Weinmachen generell?
Maitz: Wenn es darum geht, den Wein in seiner ganzen Persönlichkeit voranzubringen, dann ist Zeit eines der wichtigsten Werkzeuge. Der Jahreszyklus, den die Traube in der Natur und der Wein im Keller macht, ist für mich ein sehr logischer, wertvoller Weg.
Winkler-Hermaden: In den Siebzigerjahren brachte kaum ein Betrieb den Wein im gleichen Jahr auf den Markt. Das kam erst ein Jahrzehnt später in Mode, als es die Technik erlaubte.
Gross: Vor 30 Jahren war Technik positiv behaftet. Heute nehmen wir uns wieder zurück. Das richtige Einsetzen ist entscheidend. Es gibt Techniken, die uns vom Wein als Kulturprodukt wegbringen. Wenn wir uns davon verabschieden, mit der Natur zusammen ein Produkt zu schaffen, wird es zum Industrieprodukt. Auf das müssen wir sehr stark achten.
WEINGUT WINKLER-HERMADEN
Das Weingut Winkler-Hermaden erklärt sich mit dem Sprichwort: „Nicht die Größe eines Schrittes ist entscheidend, sondern seine Richtung.“ So steht es auf der eigenen Website – und so hält es Georg Winkler-Hermaden seit über 30 Jahren, nun unterstützt von den Söhnen Christof, Thomas und Wolfgang. Das am Kapfensteiner Kogel gelegene Weingut bewirtschaftet seine 40 Hektar inzwischen biologisch-organisch. Mit Augen-merk für die Biodiversität im und auf dem Boden. Eine Beson-derheit ist dabei der hohe Anteil an Rotweinsorten im Vulkanland Steiermark.
WEINGUT MAITZ
Von der Kuppe eines Hügels über Ratsch an der Weinstraße kommen Weine, bei denen die Herkunft an oberster Stelle steht. Wolfgang Maitz führt hier das winzerische Geschick der Familie in dritter Generation fort. Begünstigt von der geleisteten Vorarbeit, kann er eigenhändig kultivieren, was andere erst etablieren mussten. Die Liebe zum Detail überträgt sich ins Glas. Den Rieden Hochstermetzberg, Schusterberg, Krois und Sulz gewinnt er authentische, terroirtypische Jahrgänge ab. 2013 trat er als Folge seines akribischen, beherzten Tuns den STK-Weingütern bei.
WEINGUT GROSS
Die Brüder Johannes und Michael Gross handeln in bester Tradition. Der Weinbau geht in ihrer Familie bis in das Jahr 1907 zurück. Und Vater Alois wurde 1991 vom Falstaff-Magazin zum „Winzer des Jahres“ ernannt. Beide wissen also ganz genau, was Qualität bedeutet – und an Arbeit verlangt. Das haben sie längst auf ihre eigenen Weine übertragen, die jedes Jahr zu den besten der Südsteiermark und darüber hinaus gehören. Wer sie zuhause auf dem Ratscher Nussberg besucht, dem stehen der Blick über die Riede und die Tür zum Keller mit reifen Weinen offen.