Eine Begegnung am Weingut Polz am Grassnitzberg. Erich Polz schenkt seinen Gästen Willi Sattler und Manfred Tement ein Glas Sauvignon Blanc aus den Trauben der angrenzenden „Großen STK Lage“ ein. Dann beginnen die drei auch schon zu erzählen. Wie sie vor über 30 Jahren den Grundstock für die „STK“ legten und warum die Arbeit am großen Wein ein fließender Prozess bleibt.
Sattler: Es war Zufall oder Glück, dass wir alle in einem ähnlichen Alter waren, ähnliche Vorstellungen hatten und uns so fanden. Wir hatten in der Steiermark die Situation, dass vom Image als Weinbauregion nichts mehr übrig war. Den Weinen fehlte die Identität. Wir waren uns darin einig, dass man das Potenzial einer Region nicht als Einzelkämpfer entwicklen kann. Das geht nur gemeinsam.
Tement: Man hat sich gegenseitig gebraucht, dadurch ist viel entstanden. Ich hatte anfangs ja nicht einmal einen eigenen Lesbottich. Selbst den musste ich mir von Erich leihen.
Sattler: Geräte und Maschinen konnten wir uns alleine nicht leisten. Wie oft wir deshalb den Kieselgurfilter hin und her fuhren ... Im Herbst kosteten wir dann jeden Tag einen Keller durch. Dabei wurde immer viel geredet.
Polz: Wir sagten damals schon, hat ein Wein keine Ecken und Kanten, dann ist er zugeschliffen, geschminkt. Nur wenige Betriebe beschäftigten sich seinerzeit mit klaren Weinen. Alle bevorzugten süß. Eine unserer ersten Prämissen war die Umstellung auf trocken.
Sattler: Mein Vater hatte 1968 mit trockenen Wein begonnen. Reichten wir in den 70er-Jahren zur Landesweinkost ein, gewannen wir maximal Silber. Weil ein Wein mit 0,9 oder 1,1 Gramm Restzucker gegen einen mit 6, 10 oder 15 Gramm keine Chance hatte.
Polz: Durch normale Bearbeitung bekamen wir duftige, saubere Weine. Für uns Jungen war das Weltklasse – aber nicht verkaufbar. Weil die Weine hatten Säure, wenig Alkohol, waren frisch, nicht süß. Dieses Beweisenwollen, dass es auch etwas anderes gibt, brachte uns extrem zusammen.
Jeder Erfolg ist auch eine Verabredung mit dem Zeitpunkt. In Ihrem Fall war der Glykol-Weinskandal 1985 entscheidend.
Tement: Damit bekamen wir bestätigt, dass wir Recht hatten. Der Weinskandal betraf ja nur die süßen Weine. Auf einmal waren wir mit unseren trockenen Weinen in der Poleposition.
Polz: Es gibt diesen Spruch, du musst dem Mitbewerb immer einen Zentimeter voraus sein – wir waren plötzlich aber viel weiter vorne.
Sattler: Das Geschäft funktionierte nun gut, dennoch versuchten wir uns weiter zu verbessern. Wir blieben nie stehen, entwickelten Visionen wie unsere Weine sein könnten, probierten herum, verkosteten, schauten uns an, was andere Regionen ausmacht und wo unsere Chancen liegen. Das war für mich das Allergrößte – zu erkennen, dass wir ein Riesenpotenzial besitzen.
Tement: Anfangs war es auch sehr leicht, Verbesserungen zu erzielen.
Polz: Hinzu kam: Die Weinjahre wurden besser, wärmer. 1986 war bereits traumhaft. Das unberechenbare Wetter macht den Weinbau in Steiermark ja nicht unbedingt leicht.
Sattler: Nur Regionen in Grenzklimaten für den Weinbau bringen große Weine hervor. Bei uns sind die Trauben ein Spiegel des Jahresklimas. Die Herkunft ist das, was den Wein am meisten prägt. Wenn ich so wenig wie möglich in der Kellerwirtschaft interveniere und die richtige Traubensorte habe, kann Einzigartiges entstehen.
Tement: Wir sind in einer Region, wo ich spät ernten und sehr haltbare Weine erzeugen kann. Vor allem bei Sauvignon Blanc. Das ist etwas, das wir erkannten, dass diese Sorte am besten zu uns passt.
Sattler: Bei Sauvignon Blanc erreichen wir immer eine hohe Reife. Selbst in kühlen Jahren. Man erzielt zwar mit jeder anderen Sorte mit weniger Arbeit mehr Ertrag, trotzdem wurde Sauvignon unsere Leitsorte. Diese Entscheidung trafen wir in dieser Runde. Heute ist das die Hauptsorte in der Steiermark. Früher war das Müller-Thurgau vor Welschriesling.
Polz: Wir setzten immer wieder Schritte, die für den Markt anfänglich nicht verständlich waren. Aber wenn du jeden Tag mit Wein arbeitest, bist du in der Entwicklung naturgemäß weiter.
Sattler: Die ersten Weine, die wir im Holz ausbauten, fielen bei der Verkostung als fehlerhaft durch. Fassfehler hieß es. Bei Prüfnummern passierte anfangs dasselbe.
Trug das dazu bei, dass Sie 1993 mit der Steirischen Klassik eine eigene Klassifikation für Ihre Weine schufen?
Tement: Als wir Lagenweine in Holzfässern ausbauten, mussten wir dafür einen eigenen Markt suchen. Die klassisch ausgebauten Weine waren extrem erfolgreich. Nun boten wir daneben aber höherwertigeren Wein an.
Polz: Die Herausforderung war: Wie beschreiben und unterscheiden wir die zwei Weinstile?
Sattler: Unsere Bezeichnung Steirische Klassik funktionierte lange sehr gut. Dann verwendeten andere Winzer ähnliche Begriffe, sodass die Prägnanz verloren ging. 2008 beschlossen wir, uns verstärkt auf die Herkunft zu beziehen – so entstand die STK.
Polz: Das T steht für Terroir – und das unterscheidet uns nun wieder von Winzern, die einen Klassikwein haben.
Sattler: Es war ein mühsamer Prozess, das Regelwerk für die Klassifizierung in der Gruppe zu erarbeiten. Es gibt ja viele Faktoren, dass aus einer großartigen Lage ein großer Wein wird. Die Hochwertigkeit geht ja nicht nur auf einen bestimmten Berg zurück, sondern auch darauf, wie ein Bauer seinen Weingarten bewirtschaftet, wie er mit der Natur interagiert, welchen Weg er von der Sorte und den Erträgen her wählt.
Sind der jungen Generation jetzt noch ähnlich große Entwicklungssprünge möglich wie zu Ihren Anfängen?
Tement: Die Sprünge sind jetzt noch viel größer. Man hat viel mehr Möglichkeiten, weil die Grundbedingungen geschaffen wurden.
Polz: Die Weinwelt ist unwahrscheinlich vielfältig geworden. Es gibt maischevergorene Weißweine, dann die Diskussion ob biologisch oder nicht – da alleine existieren unterschiedlichste Zugänge. Das splittet sich extrem auf. Dadurch haben es die Jungen sicher schwerer, ein Publikum zu finden.
Sattler: In vielen Punkten ist uns die junge Generation überlegen. Sie sehen die Dinge fokussierter als wir das sahen. Bei uns ging es um die Basisarbeit an der Scholle. Darauf aufbauend können sie heute anders arbeiten. Unsere Kinder haben auf der ganzen Welt Verbindungen in der Weinbranche. Ein Sohn von mir hat in Bordeaux studiert. Der tauscht sich heute mit Argentinien aus, oder wo seine Freunde von der Uni halt sitzen. Dadurch findet wieder eine andere Befruchtung statt.
Tement: Man muss dabei aber immer aufpassen, dass man die eigenen Stärken nicht aus den Augen verliert.
Sattler: Das haben wir unseren Kindern schon sehr gut beigebracht – dass sie das wissen und erkennen. Ich war etwa letzten Herbst kein einziges Mal in unserem Keller. Weil ich gesagt habe, mein Junior macht das schon. Der hat jahrelang mit mir zusammengerabeitet und seine Ausbildung abgeschlossen. Er kann das auch alleine.
Polz: Ich sehe die Chance der jungen Generation in den gleichaltrigen Fans und Journalisten. Denn jedes Jahrzehnt hat einen anderen Geschmack. Da wir selbst uns verändern und sich unsere Weine verändern, ist das ein fließender Prozess.
Tement: Ein Beispiel: Wir haben uns ein Leben lang bemüht, eine gute Parker- Bewertung bei Sauvignon zu bekommen – unmöglich. Jetzt gibt es junge Verkoster und nun erreichen wir 95, 96 Punkte. So viel wie die besten Rieslinge. Wie wir immer sagten: Ein Riesling ist nicht per se ein großer Wein, das Terroir ist der große Wein.
WEINGUT TEMENT
1984 gewann Manfred Tement mit zehn eingereichten Weinen bei der Steirischen Landesweinkost ebenso viele Goldmedaillen. Seither sind das nun von seinen Söhnen Armin und Stefan geleitete Weingut am Zieregg und der Name Tement Synonyme für die inzwischen internationale Bedeutung der Weinregion Südsteiermark. Der Blick vom Zieregg Richtung Slowenien wird von Weinkennern ebenso geschätzt wie der Sauvignon blanc dieser Lage.
WEINGUT POLZ
Das Weingut am Grassnitzberg bei Spielfeld ist seit 1912 im Besitz der Familie Polz. Es waren die Brüder Erich und Walter, die hier Ende der 1980er mit ihrem Bewusstsein für sauberen Wein und innovativer Stilistik für Aufsehen sorgten. Die Tage des Restzuckers als Qualitätsmerkmal waren damit vorbei. In vierter Generation führt nun Christoph Polz die Arbeit mit derselben Leidenschaft und viel Feingefühl fort.
WEINGUT SATTLERHOF
Südlich von Gamlitz, liegt der Sattlerhof – wie für die Weingüter dieser Gegend üblich – auf einem steilen Hügel mit Blick auf die Lagen ringsum. Willi Sattler konnte hier auf die Pionierarbeit seines Vaters setzen, der als Pionier des trockenen Weinausbaus in der Steiermark gilt. Ein besonders charaktervoller Wein war die Folge. Mittlerweile sind die Söhne Alexander und Andreas genauso akribisch am Werk wie der Vater.