Das Grosse Ganze

JOHANNES UND MICHAEL GROSS

Ruhe und Behutsamkeit verhelfen den Gebrüdern Gross zu einmaligen, tiefgründigen Weinen, die niemals auf ihre Herkunft und ihre lange Tradition vergessen. 

Die spielenden Kinder der Familie rennen über den Hof und durch die großen Zimmer des Hauses, als wären sie Satelliten, die unruhige Bahnen um das in sich ruhende Zentrum ihres Sonnensystems ziehen. Mitten in all dem Trubel, mit der stoischen Ruhe und wärmenden Gutmütigkeit eines Zwillingssterns, sitzen die Brüder Johannes und Michael Gross. Ihr malerisches Gut erstreckt sich über einige der besten Rieden der Südsteiermark, doch der Blick auf den stolzen Nussberg ist durch die diesige Luft des verregneten Sommernachmittags getrübt. Umso mehr wirkt das schlichte Interieur des Weinguts wie eine Spiegelung der Charaktere der Brüder: fokussiert auf das Wesentliche, frei von jeder Effekthascherei. 

Schon im Jahr 1907 verschrieb sich die Familie dem Weinbau und betrachtet diesen als Generationenauftrag, der von Vater Alois nunmehr an seine Söhne weitergereicht wurde: „Wir ernten das Lob“, sagen sie, „für die Arbeit der Generationen vor uns“. Die noble Zurückhaltung ist keine Geste, sondern Leitmotiv im Denken der Brüder: „Den Ertrag jener Reben, die wir heute setzen, werden auch erst unsere Kinder ernten“. Beide Brüder sprechen behutsam, als müssten ihre Gedanken reifen, um im richtigen Moment die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Langsamkeit ist am Weingut Gross kein Makel, sondern Ausdruck der Natur- und Qualitätsverbundenheit der Winzer. 

„Wir machen nicht jeden Trend mit“, sagt Michael. Wie so oft beendet sein Bruder wie aus einem Guss den Satz: „Wir legen Wert darauf, dass wir uns nicht mit dem Wind drehen“. Die Philosophie der Brüder fußt auf der konsequenten Fortführung der Familientradition, die Annäherung an die Perfektion im Wein ist das höchste Gut: „Wir machen lieber wenige gute als viele mittelmäßige Weine“, sagt Johannes. Wenn sie über Wein philosophieren, beschränken sich beide Brüder nie nur auf das eigene Schaffen, sondern stellen stets die Gemeinschaft der STK-Winzer und die Verbundenheit mit der Region in den Vordergrund. Die eigene Profilierung wird zur Nebensächlichkeit, vielmehr sehen sich die Winzer als Botschafter einer Bewegung, einer Region und einer Kultur.

„Wein“, sagen sie, „ist ein Kulturgut. Es geht nicht darum, ihn zu trinken, sondern darum, dass er Emotionen in uns weckt“. Die Brüder verfallen in einen langsamen, nachdenklichen Kanon bei dem Versuch, die eigene Rolle und jene des Weins zu definieren. „Wir haben eine Bringschuld“, sagt Michael, „weil wir durch die harte Arbeit hier alles über Natur und den Wein wissen“. Es gelte nun, dieses Wissen zu transportieren, ohne dabei der Überheblichkeit zu erliegen: „Ein Winzer kreiert ja nicht, das ist die Aufgabe eines Kochs“, sagt Johannes. „Wir veredeln“. Er macht eine kleine Pause, als fühle er sich unwohl mit der Bedeutung des Gesagten. „Nur“, sagt er dann. „Wir veredeln nur“.

Die tiefen, langsamen Weine der Winzer-Familie, die in traditionellen Holzfässern heranreifen und Jahr für Jahr zu den besten Österreichs zählen, sind das stolze Ergebnis dieser äußerst bedachten Einstellung. Im Spannungsfeld zwischen der kritischen Analyse des eigenen Schaffens und der harten Arbeit in den steilen Lagen entsteht für die Winzer-Brüder eine niemals versiegende Herausforderung: „Die Kunst ist, mit der nicht zu bändigenden Kraft der Natur umzugehen – und das Beste daraus zu machen“. 

Wo Tradition ein Wert ist und Ruhe ein Ausdruck von Kraft, da ist die Zurückhaltung der Brüder Gross die logische Schlussfolgerung. „Wir müssen lernen“, sagt Michael Gross, „dass Herkunft alleine nicht alles ist“. Wieder richten sie den Blick weg vom eigenen Schaffen und nehmen das Weinland Steiermark in die Pflicht: „Es geht darum, wie wir Herkunft in Zukunft definieren“. Nachhaltigkeit und die Verbundenheit mit der Region gelte es, weiterzuentwickeln. „Denn das große Ganze“, sagen sie, „ist immer wichtiger als der Einzelne“.

GROSSE STK LAGE
NUSSBERG
46.693215, 15.576567

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