Bleibt alles anders

WILLI SATTLER

Willi Sattler macht weltweit erfolgreiche Weine, so kraftvoll und impulsiv wie er selbst. Und doch ist er immer ein Suchender geblieben.

 

Fester Händedruck, wacher Blick, laute Stimme. Willi Sattler sitzt in seinem Esszimmer am Kopfende einer langen Tafel, die große Doppeltür zum Garten steht weit offen. Der Sommerregen legt sich wie ein nasser Vorhang über die Weinberge und lässt kühle Luft hereinströmen. Wie zum Trotz krempelt Willi Sattler die Ärmel seines karierten Hemdes hoch und sagt: „Los geht's“.

Der Mann hat keine Zeit zu verlieren. Er ist es gewohnt, zu sprechen und er tut es gerne. Holt weit aus, gibt keine Antworten – sondern erzählt Geschichten. Kaum einer ist so verbunden mit der regenverhangenen Region da draußen, kaum einer prägte ihren Wandel und ließ sich von ihr wandeln wie Willi Sattler. „In den 60ern“, sagt er und spricht dabei schnell, aber deutlich und bestimmt, „da war hier nichts. Die ganze Gegend war praktisch tot“. Es ist die Zeit, in der sein Vater anfing, Wein zu machen, der so ganz anders war als alles zu seiner Zeit. Weil er auf eine Traube setzte, die heute zum Aushängeschild geworden ist: Sauvignon blanc.

Willi Sattler mag ein guter Erzähler sein – er ist noch besser darin, Dinge anzupacken: „Ich bin schon mit 20 in den Weinbau eingestiegen“, sagt er. „Früher als mir eigentlich lieb gewesen wäre“. Der Vater wurde krank, der Sohn übernahm den Betrieb und vor allem die Vision von einer Region, die ihren Bekanntheitsgrad und ihren wirtschaftlichen Aufschwung dem Wein verdanken sollte. Er leistete Pionierarbeit, damals wie heute, als er zum Aushängeschild einer Wein-Bewegung wurde, über das ausgezeichnete Restaurant und das eigene Landhaus am Sattlerhof, bis hin zur Bio-Zertifizierung seines gesamten Betriebes.

Wenn Willi Sattler über Wein spricht, spricht er zuerst jedoch über harte Arbeit. Die steilen Hänge, das schlechte Wetter, der Kampf gegen die Natur – der stolze Jäger und Winzer nimmt seinen Schilderungen gerne das Liebliche und kehrt die Knochenarbeit in den Vordergrund: „Gespür und Talent“, sagt er, „entwickeln sich erst durch den Fleiß. Und den brauchst du da draußen, jeden einzelnen Tag“. Willi Sattler sieht sich nicht als schöngeistigen Reben-Künstler, wenngleich viele seiner Familie ihm die Renaissance des Sauvignon zuschreiben. Vielmehr geht es ihm stets um das ganze Bild. Weinmachen ist mehr als nur der Weg von der Traube ins Glas, es ist die richtige Mischung aus Image und Improvisation, Willenskraft und Wissenschaft, Kunst und Konsum.

So eng Sattler mit der Region verbunden ist, so sehr sucht er Inspiration in der Ferne. Die Balance zwischen Tradition und ständiger Weiterentwicklung hält der Winzer mit regelmäßigen Weinreisen, von Neuseeland bis nach Frankreich. Er lehnt sich langsam vor, ein Arm ruht auf dem Tisch, der andere zeichnet die Weinberge Chiles in die Luft. Er spricht jetzt noch etwas schneller, seine Leidenschaft packt ihn: „Steirischer Wein ist heute einer der besten Weine der Welt, er muss sich also international vergleichen, messen und auch inspirieren lassen“. Diesen Anspruch stellt er an seine eigenen kraftvoll-aromatischen und langlebigen Weine, die man in der kalifornischen Top-Gastronomie genauso kennt und schätzt wie in Italien.

„Die internationale Entwicklung“, sagt Willi Sattler, „spielt uns in dieser Region in die Hände“. Individueller Wein, seine Unvergleichbarkeit und Persönlichkeit, die Beschaffenheit des Weinberges und die Persönlichkeit des Winzers sind es, die guten Wein heute ausmachen und ihm Erfolg bescheren. Willi Sattler bringt Beispiele, er philosophiert und diskutiert mit der Leidenschaft eines Wein- und Qualitätsbesessenen, gestikuliert, lacht und erklärt.
Er sucht und findet für einen Moment das große Ganze: die Verbindung von Heimat und Weltoffenheit im Wein. Willi Sattler ist jetzt in seinem Element.
Der Mann hat plötzlich alle Zeit der Welt.

„Die Größe des
Weins hat nichts
mit dem Fass
zu tun“

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